Helens Welt: Von Telefonaten und Bierlängen

„If you wannabe my lover … FRIENDSHIP NEVER ENDS“ dröhnt es aus meinem Handy. Und noch einmal, weil es so schön war. Tom stöhnt und ruft: „HELEN, geh endlich an dein Handy! Das hält ja keiner aus.“ Ich flitze aus dem Bad, mit einem Turban auf dem Kopf und einem Handtuch um die nassen Hüften. „Das ist Vivi“, rufe ich freudestrahlend und entsperre schnell den Bildschirm. Tom murmelt noch so etwas wie „Na super, das war es dann mit dem Sonntagnachmittag. Noch nicht mal am Wochenende hat man seine Ruhe …“, aber ich höre schon gar nicht mehr hin. Schließlich ruft meine beste Freundin an!

„Hey Süße. Alles klar? Nein? NEIN! Das kann doch nicht … so ein Voll … aber warte mal … nicht weinen, das ist er nicht … ach Quatsch, du störst überhaupt nicht!“ Ich plumpse aufs Sofa und muss erst mal Aufbauarbeit leisten. So ist das eben, wenn die beste Freundin Stress mit ihrem Typen hat. Sie braucht mich jetzt. Ich höre zu, gebe Ratschläge, tröste und lenke sie ab. Das machen Freundinnen eben so. Tom hat den Ernst der Lage erkannt, als er einen Blick ins Wohnzimmer wirft und ich abwinke und abwechselnd nur noch „mmmh“, „ja, natürlich“ und „nein, natürlich nicht“ in den Hörer sage. DAS kann dauern. „Ich fahre dann mal zu Tim“, flüstert er mir ins handyfreie Ohr und gibt mir einen Kuss, „bei dem tollen Wetter hat er bestimmt Lust auf eine kleine Radtour.“ Ich nicke und lächle ihn an, bin dann aber wieder hochkonzentriert bei der Sache.

Etwa eineinhalb Stunden später lege ich erschöpft aber glücklich auf. Vivi konnte mir ihr Leid klagen, wir haben gemeinsam geweint, gelästert, gelacht und gequatscht. Erst über den Stress mit ihrem Lover, dann über die Männerwelt allgemein, über Shoppen, Schokolade, Sport, Arbeit, Essen, Urlaub, Kino, Werbung – und haben uns schließlich für den nächsten Abend auf einen Cocktail verabredet. Tom wird nicht begeistert sein und bestimmt fragen, warum wir uns denn morgen treffen wenn wir doch erst heute stundenlang telefoniert haben. Woher er das weiß? Weil es meistens so ist. Unter einer halben Stunde dauert ein Telefonat mit ihr nie. Warum? Wir haben uns einfach viel zu erzählen, wollen alles Erlebte teilen, den anderen am Glück und Unglück teilhaben lassen. Nur deshalb kennen sich beste Freundinnen in- und auswendig. Und bis morgen Abend ist bestimmt wieder viel passiert!

Eine halbe Stunde später öffnet sich die Haustür. Tom stolpert herein und mit ihm eine Fahne bis nach Meppen. „Hallooooo, Schahaaatz … hicks“ – „Hey, ich dachte, ihr wolltet ein Radtour machen?!“ – „Haben wir auhuch … und ein, zwei Bierschen gedrunken … Ich lege mich ma kurz hin, okeeee?“ – „Na klar“, seufze ich. Ein, zwei Bierchen, wer es glaubt. Der Abend ist gelaufen. „Und du? Has du wieder stunundenlang teleniert?“ lallt mein Schatz. „Nee, nur kurz. Ne halbe Stunde oder so. Aber ich rufe Vivi noch mal kurz an. Vorhin war die Verbindung so schlecht. Dann kannst du dich in Ruhe von deinen zwei Bierchen erholen.“

Ein Telefonat mit der besten Freundin dauert nämlich genau so lange wie EIN Bierchen mit dem besten Freund 🙂