Eines der größten Frauenprobleme der Neuzeit holt mich heute mal wieder ein. Es ist 19 Uhr, ich stehe vor meinem total überfüllten Kleiderschrank – und habe nichts anzuziehen. Jedenfalls nichts, worin ich mich wirklich wohl fühle. In dem violetten Minirock kommen heute meine dicken Unterschenkel zur Geltung (obwohl die vor drei Tagen noch fabelhaft darin aussahen), die schwarze Samthose schafft es heute leider nicht, meine normalerweise wohlgeformten Oberschenkel und Hüften zu kaschieren und das grün-gestreifte Kleid (Längsstreifen!) trägt heute einfach irgendwie komisch auf. So geht es mit allen Klamotten weiter. Es ist wie verhext. Aber dann finde ich doch zwei Outfits, die zu meinem aktuellen körperlichen und seelischen Wohlbefinden passen könnten.
„Das schwarze oder das rote Kleid?“ Das ist Tom doch völlig schnuppe. Denn dank meiner Schmink-Fön-Fünfmal-Umzieh-Aktion sind wir mal wieder zu spät dran. Und außerdem sehe ich laut Tom in beiden Kleidern einfach klasse aus. Und beide Farben stehen mir perfekt. Das meinte er jedenfalls vor der letzten Geburtstagsparty. Und dank des Einkauf-Marathons am vergangenen verkaufsoffenen Sonntag habe ich zu beiden Kleidern die passenden Schuhe und die entsprechende Handtasche gefunden. Also eigentlich echt schnurz-egal. Theoretisch.
„Ist doch egal.“ Oh oh, ganz schlecht, mein Lieber! Du bewegst dich gerade nicht auf sehr dünnem Eis, sondern schwimmst mit deinem letzten Atemzug knapp oberhalb der Teichfolie. Meine Augenbrauen bilden zwei gespannte Rosenbögen, mein Blick sticht auf Tom und seine unverschämte Antwort ein und meine Hände stützen sich an meinem, für eine Frau selbstverständlich gut wahrnehmbaren, Hüftspeck ab. „Egal? Wie meinst du das?“
Zweite Chance, Tom! Durchatmen, noch bist du im Spiel, die nächste Runde ist eröffnet: „Die stehen dir halt beide gut.“ Meine Augenbrauen entspannen sich wieder und die zerknautschten Lippen formen sich zu einem Smilie. Alles richtig gemacht. Aber eine wichtige Frage ist ja noch unbeantwortet: „Ja, aber welches soll ich denn jetzt anziehen?“
Jetzt bloß keine Partei für eines der Kleider ergreifen! Denn dann folgt garantiert die Endlos-Frage-Stunde: „Also gefällt dir doch das schwarze Kleid besser! Was magst du denn an dem roten Kleid nicht? Das hat doch einen hübschen Ausschnitt!“ Ein stirnrunzelndes „Ja, dann zieh halt das Rote an …“ – und der Abend ist so gut wie gelaufen.
In diesem Fall wählt Tom die richtige, zeit- und nervensparende Strategie: die Wahrheit sagen – und ein bisschen übertreiben. „Schatz, du siehst in beiden Kleidern einfach klasse aus. Rot und Schwarz stehen dir super. Und die passenden Accessoires hast du ja auch zu beiden Kleidern, die haben wir ja neulich erst zusammen eingekauft. Und egal, welches du anziehst: Deine Oberschenkel werden darin noch perfekter als sonst aussehen und alle Männer werden mich um dich beneiden! Nimm einfach das, worin du dich heute am wohlsten fühlst.“ Volltreffer! Die Party kann losgehen.
Obwohl: Da wäre ja noch mein neues, blaues Paillettenkleid …
„Duhu, Schahatz …?“